Sironabad

49.86399, 8.35284
Sironastraße 8, 55283 Nierstein, Deutschland

Route

Sironabad

49.86399, 8.35284
Ca. 1. Jahrhundert n. Chr. bis 3. Jahrhundert n. Chr.

In Nierstein wurden im Verlauf der letzten Jahrhunderte einige römerzeitliche Spuren entdeckt. Am spektakulärsten ist dabei sicherlich das sogenannte Sironabad, ein unterirdisches Heiligtum im Bereich einer Schwefelquelle. Die Anlage ist nach Sirona benannt, der keltischen Göttin für Fruchtbarkeit und Gesundheit und Beschützerin der Brunnen, Bäche und Flüsse. Verschiedene Votivgaben und Münzen lassen auf eine Benutzung der Anlage vom 1. bis ins 3. Jahrhundert n. Chr. schließen.[1] Die Münzen stammen aus der Zeit von Kaiser Domitian (Kaiser von 81 bis 95 n. Chr.) bis Postumus (Gegenkaiser des sogenannten Gallischen Sonderreiches von 260 bis 269). Die Originale der Münzen sind heute verschollen, im Niersteiner Rathaus befinden sich allerdings Gipsabdrücke.[2]

Der Eingang zum Sironabad.
Der Eingang zum Sironabad.

Das Heiligtum wurde auf vier Quellen errichtet – zwei Süßwasser- und zwei Schwefelwasserquellen. Die Fassungen dieser Quellen sind aus römischer Zeit. Vom Heilwasser versprach man sich mutmaßlich Heilung oder Linderung bei Erkrankungen wie Hautausschlägen, Asthma, Magen- und Darmstörungen, chronisches Brustleiden, Rheuma, Gicht, Hämorriden, Metallvergiftungen und Unterleibsbeschwerden.[3] Auch der römische Gott Apollo wurde hier in seiner Eigenschaft als Heilgott verehrt. Beide Gottheiten sind mehrfach in keltischen Quellheiligtümern nachgewiesen. In die Wand des Sironabades ist heute ein römerzeitlicher Votivaltar einer Besucherin der Quelle eingelassen:

DEO / APOLLINI / ET SIRONAE / IVLIA FRON / TINA / V(otum) S(olvit) L(ibens) L(aeta) M(erito)
Dem Gott Apollo und der Sirona hat Julia Frontina ihr Gelübde gerne, freudig und nach Gebühr eingelöst.

Der Votivaltar für die Göttin Sirona.
Der Votivaltar für die Göttin Sirona.

Das Bad besteht heute aus vier Becken, von denen drei über Bleirohre mit dem Heilwasser verbunden sind. Im vierten Becken befindet sich Trinkwasser aus der benachbarten „Färcherquelle“, die im späten 19. Jahrhundert für einige Jahre als Trinkwasserquelle für die Stadt Oppenheim genutzt wurde, bevor man wegen bakteriologischen Verunreinigungen wieder davon absah.[4]

Hauptraum des Sironabades mit Schwefelquelle (Wikipedia-Nutzer PM3, CC BY-SA 3.0).
Hauptraum des Sironabades mit Schwefelquelle (Wikipedia-Nutzer PM3, CC BY-SA 3.0).

Nach der römischen Zeit geriet die Anlage für lange Zeit in Vergessenheit, bevor 1766 der Mannheimer Professor Johann Daniel Flad die Quelle in einer seiner Vorlesungen erwähnte.[5] 1802 veröffentlichte der Geheimrat und Leibarzt des hessischen Großherzogs, Freiherr von Wedekind, einen Artikel über das Heilwasser in der Mainzer Zeitung. Daraufhin ließ Professor Ackermann als Präsident der Departemental-Gesellschaft der Wissenschaften und Künste in Mainz das Wasser chemisch analysieren und die Heilkraft bestätigen. Es wurde als hilfreich gegen Hautkrankheiten, Unterleibsbeschwerden, Brustbeschwerden und Metallvergiftungen eingestuft.[6] 1803 wurde die Quelle wieder freigelegt, neu gefasst und überwölbt, nachdem der Belgier Martin van der Velden und seine Frau Therese Barbara Mertens sie in diesem Jahr von der Stadt Nierstein gepachtet hatten. 1829 wurde der Mainzer Stadtrat Pfeifer neuer Pächter und erneuerte die Brunnen- und Badehalle nach römischem Vorbild. Ergänzt wurde die Anlage nun um Ruheräume und ein Dampf- und Tropfbad. Aus dieser Zeit stammt die heutige Raumgestaltung. Die Kurgäste konnten im Badehaus oder im nahegelegenen Gelben Haus (heute Villa Guntrum) wohnen.[7]

Der Mainzer Heimat- und Geschichtsforscher, Stadtarchivar und damalige Oberbibliothekar und Leiter der Mainzer Stadtbibliothek Friedrich Lehné schrieb 1827 über das Sironabad und seine Freilegung über die römischen Funde in fünf Metern Tiefe: „Bei diesem Aufräumen entdeckte man die römische Fassung der Quelle, Trümmer von Bauwerken, unter andern eine kleine Säule, ein Becken von Stein, kleine Figuren von gebrannter Erde, und mehrere kupferne Münzen, die von runden Gypskugeln umgeben in der Quelle lagen.“[8]

Von 1910 bis 1930 wurde das Quellwasser industriell zum Bleichen von Maismehl genutzt. Seit 1937 steht die Anlage unter Denkmalschutz.[9] Heute ist das Sironabad in Privatbesitz. Es ist nach Absprache mit der Stadt Nierstein oder dem Geschichtsverein Nierstein zu besichtigen.

Neben dem Sironabad gibt es in Niersteiner Gemarkung auch zahlreiche weitere, römerzeitliche Funde. Neben vielen Gräbern und einigen Grabinschriften ist auch ein Merkurrelief gefunden worden, dass sich heute im Bestand der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim befindet.[10] Gefunden wurde es auf der Glöck.[11] Eine in der Nähe gefundene Weihinschrift an Merkur – heute im Landesmuseum Mainz – bestätigt den dazugehörigen Tempel.[12] Inschrift und Übersetzung lauten:[13]

IN H(onorem) D(omus) D(ivinae) | DEO ME | RCURIO | FELICI | O SECCI | V(otum) S(olvit) L(aetus) L(ibens) M(erito)
Zu Ehren des göttlichen Kaiserhauses. Dem Gott Merkur hat Felicio, (der Sklave des?) Seccius, sein Gelübte gern und nach Gebühr eingelöst.

Der antike vicus Buconica/Bonconica (in der spätantiken Tabula Peutingeriana ist dieser Ort zwischen Mainz und Worms verzeichnet, ebenso im Itinerarium Antonini, einem Verzeichnis römischer Routen und Orte des 3. Jh. n. Chr.) ist nach den Funden möglicherweise auf den beiden Gemarkungen von Oppenheim und Nierstein zu vermuten.[14] Während die südliche Gräberstraße dieses Ortes heute in der Gemarkung von Dienheim vermutet wird, lag der nördliche Teil davon möglicherweise im heutigen Nierstein.[15]

Verfasser: Lutz Luckhaupt

[1] Rupprecht, S. 509-510.

[2] Klumbach, S. 249. Siehe auch Schwarz, S. 132.

[3] Schwarz, S. 132.

[4] Lamberth, S. 35.

[5] Fischer-Zimmermann, S. 17.

[6] Ebenda, S. 18-19.

[7] Ebenda, S. 21.

[8] Lamberth, S. 31.

[9] Fischer-Zimmermann, S. 21.

[10] Boppert, S. 123 (Nr. 90). Siehe auch Grünewald, Mathilde: Der Gott aus dem Weinberg. URL: https://www.rem-mannheim.de/blog/der-gott-aus-dem-weinberg/ (Stand 24.02.2023).

[11] Fischer-Zimmermann, S. 16-17. Hier findet sich auch eine Aufstellung der Fundorte weiterer Siedlungsspuren und Gräberfelder aus römischer Zeit: Reste einer Villa rustica und eines Gräberfeldes in Hummertal-Dautzklauer, Gebäudereste und Gräberfeld in der Wörrstädter Straße, Siedlungsschutt an Rheinallee bei der Fähre, Gebäudereste an Ringstraße und Neunmorgen, Keramik in Gartengasse und Saalpförtchen, ein Steinsarg mit Inschrift an der Bergkirche Reste einer Villa rustica an der Niersteiner Warte, ein ausgedehnter Ruinenkomplex mit gefundener Wandbemalung im Klostergewann, Reste einer Villa rustica am Eselspfad (Fuchsloch), Reste einer Villa rustica bei der Rehbacher Steige, Reste einer Villa rustica und Gräber am Rolländer Berg, Reste einer Villa rustica und Gräber im Ortsteil Schwabsburg sowie ein Heiligtum auf der Schwabsburger Hauptstraße.

[12] Klumbach, S. 248. Siehe auch Boppert, S. 123-124 (Nr. 91).

[13] Selzer, S. 201 (Nr. 169).

[14] Rübeling, S. 81.

[15] Knosala, S. 25.

Literatur

  • Boppert, Walburg: Römische Steindenkmäler aus dem Landkreis Mainz-Bingen. Mainz 2005 (= CSIR Deutschland Bd. II, 14 Germania superior).
  • Emmerling, Ernst: Nierstein am Rhein. Neuss 1979 (= Rheinische Kunststätten, Hf. 222).
  • Fischer-Zimmermann, Elli: Das Sironabad in Nierstein. Niersteiner Geschichtsblätter 10 (2004), S. 16-21.
  • Grünewald, Mathilde: Der Gott aus dem Weinberg. URL: https://www.rem-mannheim.de/blog/der-gott-aus-dem-weinberg/
  • Klumbach, H.: Römisches Quellheiligtum bei Nierstein. In: Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern, Bd. 12: Nördliches Rheinhessen. Mainz 1969, S. 248-249.
  • Knosala, Thomas: Zu einem römischen Grabbau in Dienheim und dessen topographischem Kontext. MZ 115/116 (2020/2021), S. 5-26.
  • Lamberth, W.: Die römische Wasserversorgung in Rheinhessen. In: Symposium über die historische Entwicklung der Wasserversorgungstechnik Köln 1982. Schriftenr. d. Frontinus-Ges. 6 (Köln 1983) 25-44.
  • Rübeling, Lisa: Leben im römischen vicus Buconica (Nierstein). Die römische Geschichte vor der „eigenen Haustür“ erlebbar gemacht. Berichte zur Archäologie in Rheinhessen und Umgebung 2 (2009), S. 80-84.
  • Rupprecht, Gerd: Nierstein. Sirona-Bad. In: Cüppers, Heinz (Hrsg.): Die Römer in Rheinland-Pfalz. Stuttgart 1990, S. 509-510.
  • Schwarz, Axel: Das Sironabad. In: Hexemer, Hans-Peter (Hrsg.): 75 Niersteiner Orte, die Geschichte(n) erzählen. Ingelheim 2017, S. 132-133.
  • Selzer, Wolfgang: Römische Steindenkmäler. Mainz in Römischer Zeit. Katalog zur Sammlung in der Steinhalle. Mainz 1988 (= Landesmuseum Mainz. Katalogreihe zu den Abteilungen und Sammlungen, Bd. 1).