Römerstraße
In Guntersblum wurden während der Flurbereinigung im Jahr 1987 zusammen mit zwei Steinkellern die Überreste einer Römerstraße entdeckt. 2007 wurde das Teilstück freigelegt und an den jährlich stattfindenden Römertagen der Öffentlichkeit präsentiert, bevor es aus konservatorischen Gründen 2021 wieder zugeschüttet wurde.[1] Bereits zu Beginn der 1980er Jahre meldeten Bürger:innen am Grenzweg gegen Ludwigshöhe, etwa 150 Meter östlich der B9 Teile einer nach ihrer Deutung römischen Straße in einem Leitungsgraben in etwa drei Metern Tiefe an das Landesamt für Denkmalpflege.[2]
Das Straßenstück ist etwa 30 Meter lang und 4 Meter breit und die archäologischen Schichten liegen in einer Tiefe von 1 Meter. Bereits in der Antike begann man die Steine der Straße als Baumaterial zu nutzen. So fehlt heute die Deckschicht, aber die zweite Schicht mit Steinlagen ist erhalten. Die sichtbaren Abdrücke von Wagen- oder Karrenspuren in der Steinschicht belegen eine starke Benutzung.[3]
Der Straßenabschnitt war Bestandteil der Rheintalstraße, die direkte Verbindung von Italien zum Rhein. Die Straße führte vom Großen-Sankt-Bernhard-Pass über die Schweiz nach Straßburg und von dort über Speyer, Worms und Guntersblum nach Mainz und schließlich nach Köln. Diese Straße entstand spätestens in augusteischer Zeit (Augustus römischer Kaiser 31 v. Chr. bis 14 n. Chr.), als auch das Lager in Mainz errichtet wurde.[4]
Der römische Straßenbau orientierte sich am Verlauf der Flüsse. Man legte Wege entlang ihrer Niederterrassen an. Möglicherweise orientierte man sich mancherorts auch an keltischen Wegen. Die Straßen hatten eine Breite von bis zu sechs Metern, eine Dicke von etwa einem Meter und waren mehrschichtig aufgebaut, wobei die einzelnen Bauschichten zur Stabilisierung mit Mörtel verdichtet wurden. Die unterste Schicht war ein grob geschichteter Steinsatz, das „statutem“, das als Fundament diente. Darüber befand sich entweder eine geschichtete Steinlage ohne Mörtel oder eine mit Mörtel gemischte Kiesschicht. Es folgte eine Schicht aus Kieseln, Steinen und auch Schutt, das „ruderatio“. Als oberste Schicht kam der Deckbelag aus Sand und Kies, die „summa glarea“. Diese wurde regelmäßig erneuert. In Städten bestand die oberste Schicht häufig aus robusteren Steinplatten. Die Straßen waren zur besseren Entwässerung leicht zu den Seiten gewölbt und beidseitig durch Straßengräben begrenzt, damit das Wasser besser ablaufen konnte. In der Regel waren sie zweispurig, gelegentlich gab es daneben kleinere Fußgängerwege. In regelmäßigen Abständen waren neben der Straße Meilensteine zur Entfernungsangabe und Orientierung aufgestellt.[5]
Für die Straße in Guntersblum ist nur für den östlichen Teil ein Straßengraben nachweisbar. Dieser ist durch Bordsteine von der Straße abgetrennt.
An den Straßen befanden sich Raststationen zum Wechseln der Pferde der Kuriere und zur Versorgung der zahlreichen Reisenden. Übernachtung und Verpflegung wurden angeboten. Nahegelegene Gutshöfe verkauften ihre Güter an die Reisenden und betrieben wohl auch die Raststationen. In Guntersblum wurde westlich der Straße ein Erdkeller angeschnitten, in dem auch Keramikreste gefunden wurden. Drei bei den Ausgrabungen festgestellte Pfostenlöcher sind ein Hinweis auf eine mögliche Dachkonstruktion über dem Keller. Eventuell befand sich hier ein Fachwerkbau mit Keller, der zu einer Raststation gehört haben könnte. Auch die Funde am nördlichen Rand der Grabungen deuten in die gleiche Richtung. Hier wurden zwei große Abfallgruben freigelegt, in denen man neben Gebrauchskeramik und Terra Sigillata auch Spielkugeln, eine Tonperle, diverse Eisennägel und eine Hülsenspiralfibel, also einen Gewandverschluss, fand. Diese Funde werden in die Zeit von 50 v. Chr. bis 50 n. Chr. datiert. Während der Flurbereinigung wurden außerdem in unmittelbarer Nähe zur Straße zwei etwa 2,50 auf 2 Meter große, gemauerte Steinkeller entdeckt, in denen römische Henkelkrüge gefunden wurden. Aufgrund von Erdbewegungen bei der Flurbereinigung sind diese Keller heute nicht mehr erhalten, aber durch die Denkmalpflege gut dokumentiert.[6] In der Forschung wird dieser Fundkomplex wie folgt gedeutet:
Der fruchtbare Boden, der problemlose Zugang zu Quellwasser und die nahegelegenen Kalksteinbrüche machten die Umgebung des Straßenabschnitts bereits seit der vorrömischen, keltischen Zeit zu einem attraktiven Siedlungsplatz. Der Fachwerkbau mit Erdkeller stammt möglicherweise noch aus der späten Laténezeit (etwa 150 bis 15/0 v. Chr.) und könnte zu einem keltischen Bauernhof gehört haben, der in römischer Zeit weiterbetrieben wurde. Die beiden Steinkeller gehörten vermutlich zu Wohnräumen von nahegelegenen Gutshöfen in der Flur „Eiserne Hand“. Die Gutshöfe könnten ihre Produkte an der Römerstraße feilgeboten haben und dort Raststätten betrieben haben. Die Funde von reinem und zu Schlacke verarbeitetem Bohnerz (ein Eisenerz mit hohem Eisengehalt) lassen außerdem eine Verarbeitung von Eisen in diesem Gebiet annehmen.[7]
Verfasser: Lutz Luckhaupt
[1] Handout 2018, S. 3.
[2] Stümpel, S. 262.
[3] Handout 2018, S. 3.
[4] Roller, S. 261.
[5] Handout 2018, S. 1-2.
[6] Handout 2018, S. 2-3.
[7] Ebenda, S. 3-4.