Der Siliusstein
Auf Dienheimer Gemarkung wurden vor allem seit dem 19. Jahrhundert verschiedene Funde gemacht, die in die römische Zeit datiert werden. Das berühmteste Steindenkmal wurde 1834 an der Bundesstraße 9 Richtung Ludwighöhe vor dem Dienheimer Buckel gefunden: Im Weinberg von Philipp Rippel stieß man auf einen römischen Grabstein, der schon bald aufgrund seiner Inschrift, die den Verstorbenen benennt, als „Siliusstein“ bekannt wurde.[1]
Silius, der Bestattete, war ein Reiter der römischen Armee. Datiert wird sein Grabstein in die zweite Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. Das Besondere an diesem Stein waren die erhaltenen antike Farbspuren, die eine realistische Rekonstruktion der ursprünglichen Farbgestaltung erlauben. Schon bald nach Auffindung des Steindenkmals fertigte der Mainzer Ludwig Lindenschmit der Ältere – ein Mitbegründer des Mainzer Altertumsvereins – auf Grundlage der ursprünglichen Farbgebung ein Aquarell an, welches die antike Farbigkeit des Fundstückes dokumentierte.[2] Dies war ein Glücksfall, denn die Originalfarbe ging später weitgehend verloren. Nachdem die Stadt Mainz von ihrem Kaufrecht für den Grabstein zurücktrat, kaufte die Stadt Dienheim ihn für 44 Gulden vom Eigentümer.[3] Der Stein wurde am Fundort in einer gemauerten Nische mit Eisengitter aufgestellt und der Witterung überlassen. Dies schadete der antiken Farbgebung.[4]
Nach etwa zwei Jahrzehnten kam der Grabstein schließlich ins Altertumsmuseum nach Mainz, dem heutigen Landesmuseum, wo er bis heute in der Steinhalle ausgestellt wird. Von der antiken Farbe ist heute kaum mehr etwas zu sehen – präsentiert wird der Stein daher heute neben einem Druck des Aquarells von Lindenschmit.
Anlässlich der 1250-Jahrfeier Dienheims 2004 wurden Reproduktionen des Steins angefertigt. Eine farbige Kopie kann im Foyer der Fest- und Sporthalle von Dienheim besichtigt werden. Der Stein zeigt eindrucksvoll, dass das gewohnte Bild einfarbiger Grabsteine nicht der antiken Realität entspricht. Römische Steindenkmäler waren ursprünglich bunt.[5]
Die beiden Bildszenen des Grabsteines zeigen oben eine Totenmahlszene und unten möglicherweise Silius selbst, der sein Pferd führt.
Getrennt werden die Szenen durch die Inschrift:
SILIVS ATTONIS F(ilius)
EQ(ues) ALAE PICENT(ianae) |
Silius, Sohn des Atto, Reiter der Ala Picentiana, 45 Jahre alt, 24 Dienstjahre, liegt hier. Der Erbe ließ den Grabstein setzen. |
Silius war also Soldat in einer römischen berittenen Hilfstruppeneinheit, einer Ala – Hilfstruppeneinheiten mit Fußsoldaten nannte man Kohorten – und stand kurz vor seiner ehrenvollen Entlassung aus dem Militärdienst, die für Hilfstruppen üblicherweise nach 25 Jahren erfolgte und gleichzeitig die Verleihung des römischen Bürgerrechts bedeutete. Die Ala Picentiana von Silius war von 13/12 v. Chr. bis 42 n. Chr. zusammen mit der Legion XVI in Mainz und von 43 bis 82 in Neuss stationiert. 69/70 war die Legion XVI in den Bataveraufstand verwickelt und wurde aufgelöst. Nach 82 war die Ala dann für kurze Zeit wieder in Mainz stationiert und ist nach 90 in England nachweisbar.[6]
Der Verstorbene ließ sich auch ohne das Bürgerrecht in römischer Tracht darstellen, obwohl durch die Namensnennung seines Vaters, Atto, davon auszugehen ist, dass es sich bei Silius um einen Germanen oder Kelten handelte.[7]
Verfasser: Lutz Luckhaupt
[1] Rick, S. 46.
[2] Ludwig Lindenschmit der Jüngere beschreibt die Farbgebung außerdem ausführlich in der Mainzer Zeitschrift 1908.
[3] Rick, S. 46.
[4] Faber, S. 128.
[5] Ebenda.
[6] Faber, S. 130.
[7] Faber, S. 129.