Villa Rustica

49.96901, 7.83816
XR9Q+J7 Weiler bei Bingen, Deutschland

Route

Villa Rustica

49.96901, 7.83816
Datierung: Etwa 150 n. Chr. bis 420 n. Chr.

Unmittelbar am Walderlebnispfad im Binger Wald wurden zwischen 1999 und 2003 durch ein Projekt des Internationalen Bundes, einem freien Träger für Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit, in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege die Reste eines römischen Gutshofes (villa rustica) ausgegraben. Der auffällige, flache Hügel mit Schuttresten wurde bereits in den 1770er Jahren auf einer Karte verzeichnet – damals noch als „Alt Closter Fundament“. Bereits kurze Zeit später, im Jahr 1779, wurden Teile des Hauptgebäudes mit dem Badetrakt ergraben, die Fundstelle allerdings zunächst fälschlicherweise als Kastell interpretiert. Im 19. Jahrhundert fanden mehrere kleine Grabungen statt und 1906/07 entstand schließlich die erste Grundrissskizze der Anlage. 1988 fanden erste, offizielle archäologische Grabungen der Denkmalpflege in Mainz am Badetrakt des Hauptgebäudes statt. Durch die isolierte Lage im Wald wurde das Areal der Villa nie überbaut, wodurch sich hier die seltene Gelegenheit ergab, die gesamte Hoffläche zu untersuchen.

Die Ausgrabungsstätte noch ohne Schutzdach 2004 (Peter Weller, CC BY-SA 3.0)
Die Ausgrabungsstätte noch ohne Schutzdach 2004 (Peter Weller, CC BY-SA 3.0)

Der im Wald versteckte Ort lockte immer wieder Raubgräber an und durch den Baumbewuchs befürchtete man außerdem eine Beschädigung des erhaltenen Mauerwerks. Man fand eine Lösung durch das oben beschriebene Beschäftigungsprojekt. Das Mauerwerk wurde zunächst von der Vegetation befreit und zusammen mit der Fachhochschule für Vermessungswesen in Mainz wurde die gesamte Anlage exakt vermessen. Das Hauptgebäude mit Badeanlage wurde komplett freigelegt und später mit einem Schutzdach versehen.

Das Grabungsgelände mit freigelegtem Herrenhaus unter dem Schutzdach (Axel Hindemith, CC BY-SA 3.0)
Das Grabungsgelände mit freigelegtem Herrenhaus unter dem Schutzdach (Axel Hindemith, CC BY-SA 3.0)

Insgesamt umfasst das L-förmige Gesamtareal eine Fläche von etwa 3,5 Hektar. Eine etwa 800 Meter lange Hofummauerung, mindestens sieben Wirtschafts- und Nebengebäude und mehrere Zisternen konnten nachgewiesen und teilweise ergraben werden. Der Gutshof hatte damit im Vergleich zu anderen Anlagen in der Umgebung eine mittlere Größe. Unmittelbar an die westliche Hofmauer grenzte eine römische Straße. Es handelt sich bei dem Gutshof um eine typische Anlage für die Region – rund 80 Prozent der Bevölkerung lebte und arbeitete damals in solchen villae rusticae und sorgte für die Produktion landwirtschaftlicher Produkte. 

Das 26 x 36 Meter große Hauptgebäude hatte eine Wohnfläche von etwa 690 Quadratmetern und befand sich in der Mitte der Anlage. Wie in der Region üblich handelte es sich um eine Portikusvilla mit Eckrisaliten, die mindestens zweigeschossig war. Aufgrund der starken Hanglage war das Erdgeschoss in einem Teil des Gebäudes auch gleichzeitig der Keller. Von diesen Räumen ging es hoch in einen etwa 247 Quadratmeter großen Innenhof, der wahrscheinlich nicht überdacht war. Aufgrund der Funde einiger Pfostenreihen kann man von einem überdachten Umgang entlang der Seiten des Hofes ausgehen. In der nordwestlichen Ecke des Gebäudes befand sich ein Badetrakt und eine kleine Toilettenanlage. Dieser Teil des Hauses war mit Hypokausten, den römischen Fußbodenheizungen, ausgestattet. Der Rest der Villa wurde möglicherweise gar nicht beheizt. 

Während der westliche Teil der Hofanlage keine Hinweise auf Nebengebäude liefert, befinden sich die Nebengebäude – heute als Schutthügel im Wald erkennbar – alle in der östlichen Hälfte nahe oder gar angrenzend an die Umfassungsmauer. Das größte dieser Gebäude hat eine Fläche von 24 x 11 Metern. 2016 wurde eines der Nebengebäude, das in der Forschung als Nebengebäude VII angesprochen wird, archäologisch untersucht. Es handelt sich um das südlichste Gebäude mit einem 12 x 21 Meter großen, rechteckigen Grundriss. Das Gebäude lag direkt an der Umfassungsmauer des Gutshofes an. Die Südmauer war komplett umgestürzt und lag im Innenraum des Gebäudes. Damit konnte eine minimale Gebäudehöhe von 4,86 Metern ermittelt werden. Das Innere des Gebäudes war nahezu fundleer, was nicht nur die Datierung erschwert, sondern auch die Frage nach der Funktion des Gebäudes unbeantwortet lässt. Es wird davon ausgegangen, dass es geräumt wurde, als man es nicht mehr brauchte. Außerhalb fand man an der Außenwand zwei Herdstellen. Eine Datierung der wenigen Funde in die Mitte des 2. bis ins 4. Jahrhundert lassen vermuten, dass dieses Gebäude bereits vor dem Ende der Nutzung des Gutshofs aufgegeben wurde. 

Angelegte römische Nutzgärten, römische Spiele und Infotafeln betten die Ausgrabungsstelle heute als Attraktion in einen Walderlebnispfad ein. An bestimmten Tagen im Jahr, wie beispielsweise dem Tag des offenen Denkmals oder dem Römertag Rheinhessen, finden hier auch Veranstaltungen mit einem umfangreichen museumspädagogischen Angebot statt. Für den dauerhaften Erhalt und die Präsentation der Villa hat sich 2003 der Förderverein Villa Rustica-Binger Wald e.V. gegründet.

Auch Führungen durch die Anlage finden statt.
Auch Führungen durch die Anlage finden statt.

Verfasser: Lutz Luckhaupt

Literatur

  • Heising, Alexander: Durch Vergangenheit Zukunft sichern. Eine römische villa rustica im Binger Wald, Gemeinde Weiler, Kreis Mainz-Bingen. In: Archäologie in Rheinland-Pfalz 2003. Mainz 2004, S. 43-46.
  • Heising, Alexander [u.a.]: Ein Nebengebäude mit umgestürzter Wand in der Villa Rustica Binger Wald (Gem. Weiler, Lkr. Mainz-Bingen). Archäologisches Korrespondenzblatt 50 (2020), S. 35-56.
  • Nicolay, Paul: Die Villa Rustica im Binger Wald. Durch Vergangenheit Zukunft sichern. Ein Beschäftigungsprojekt des internationalen Bundes (IB) im Rahmen einer Grabung des Archäologischen Landesamtes. Heimatjahrbuch Landkreis Mainz Bingen (2002), S. 101-107

Villa rustica

Landwirtschaftlicher Gutsbetrieb des römischen Imperiums. Eine Villa umfasste eine komplexe wirtschaftliche und soziale Organisation. In der Regel von einer Umfassungsmauer umgeben, präsentierte sie sich nach außen als geschlossene Einheit. Neben den Wohnbauten gab es in einer Villa eine Reihe verschiedenster Wirtschaftsbauten für landwirtschaftliche und handwerkliche Tätigkeiten. Weiter gehörte zu einer Villa ein Friedhof, in dem die Villenbewohner bestattet wurden. Er lag meistens außerhalb der Umfassungsmauer an einer Zufahrtsstraße.