Vicus Altiaiensium

49.74737, 8.11252
Antoniterstraße 41, 55232 Alzey, Deutschland

Route

Römerkastell

49.74322, 8.11732
Jean-Braun-Straße 19, 55232 Alzey, Deutschland

Route

Vicus Altiaiensium

49.74737, 8.11252
Ca. Ende 1. Jahrhundert v. Chr. bis Mitte 4. Jahrhundert n. Chr.

Das Gebiet um die heutige Stadt Alzey in der Nähe des Flusses Selz hatte durch den fruchtbaren Lößboden und durch das verhältnismäßig warme Klima eine starke Anziehungskraft auf Siedler:innen.[1] Aus Alzey sind viele Grab- und Siedlungsfunde der spätkeltischen Zeit (1. Jahrhundert v.Chr.) bekannt. Es gab vermutlich eine relativ große, keltische Siedlung, auf welcher die römische Siedlung aufbaute. Diese entstand also nicht neu, sondern eher wurde die keltische Siedlung allmählich durch die kulturellen und architektonischen Veränderungen der Römer beeinflusst.[2]

Die römische Zivilsiedlung ist seit augusteischer Zeit (Augustus römischer Kaiser 31 v. Chr. – 14 n. Chr.) nachweisbar und hatte aufgrund der Streuung der Funde wahrscheinlich eine ungefähre Größe von etwa 54 ha mit einem Schwerpunkt im Südosten der heutigen Stadt Alzey. Die nördliche Grenze war wahrscheinlich der Fluss Selz und im Süden endete der vicus etwa auf Höhe des heutigen Sportplatzes.[3] Die Gräberfelder lagen außerhalb der Siedlungsgrenzen an den Ausfallstraßen. Eines wurde nördlich der Selz zwischen Nibelungenstraße und Rodensteiner Straße nachgewiesen, ein anderes südlich der Harpendenstraße.[4]

Dass es sich bei der Siedlung auch rechtlich um ein vicus handelte, beweist der sogenannte Nymphenaltar, der die Bewohner:innen Alzeys als vicani altaienses ausweißt, also als Einwohner:innen eines vicus. Ein vicus war eine Art Kleinstadt. Zwar besaß ein vicus keine Stadtrechte, aber es handelte sich trotzdem um ein regionales Zentrum, in dem auch regelmäßig Märkte stattfanden.[5]

Der sogenannte Nymphenaltar steht heute im Museum der Stadt Alzey.
Der sogenannte Nymphenaltar steht heute im Museum der Stadt Alzey.

Der sogenannte Nymphenaltar wurde bei Ausgrabungen im Frühjahr 1783 gefunden.[6] Er war als Spolie in einer Mauer des spätantiken Römerkastells verbaut.[7] Er hat eine Höhe von 1,05 Metern und steht heute – nach mehreren Umwegen über verschiedene Privatbesitzer und das Wormser Museum – im Museum in Alzey.[8] Er trägt folgende Inschrift:[9]

In h(onorem) d(omus) d(ivinae) / d(eabus) Nymphis / vicani Al / tiaienses / aram posuer(unt) / cura Octoni / Terti et Castoni / Cassi X K(alendas) Dec(embres) / Maximo et Aeliano co(n)s(ulibus)
Zu Ehren des göttlichen Kaiserhauses / Den göttlichen Nymphen / Haben die vicani Altiaienses / Diesen Altar aufgestellt / Unter der Obhut des Octonius Tertius und des Castonius Cassius/ Zehn Tage vor den Kalenden des Dezembers / unter dem Konsulat des Maximus und Aelianus

Gestiftet wurde jener Altar also von den Bewohner:innen des vicus Altiaiensis. Die beiden genannten Personen Octonius Tertius und Castonius Cassius waren wahrscheinlich eine Art Bürgermeister, die nach dem Modell der römischen Konsuln für die Verwaltung des vicus zuständig waren. Der Altar ist das älteste Zeugnis für den Namen des vicus Altiaiensis, aus dem sich im Laufe der Zeit der Name Alzey gebildet hat. Die Aufstellung des Altars lässt sich durch die Inschrift bis auf den Tag genau bestimmen. Das Jahr lässt sich durch die Nennung der Konsuln Maximus und Aelianus ermittelt. Es ist das Jahr 223 n. Chr. Der Tag der Aufstellung des Altares ist somit der zehnte Tag vor den Kalenden des Dezembers des Jahres 223 n. Chr. Rechnet man dies in unser heutiges Kalendersystem um, so kommt man auf den 22. November 223 n. Chr.[10]

Der Anlass der Aufstellung des Altars und der ursprüngliche Standort lassen sich heute nicht mehr ermitteln. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass der Altar zu einem Heiligtum gehörte, welches an einer Quelle lag. Diese These wird durch den Fund weiterer Weihinschriften an Quellgottheiten unterstützt. Unter diesen Weihinschriften befindet sich auch eine Weihinschrift zu einem Tempel des Apollo Grannus und der Sirona, welcher mit einer Schwefelquelle in Verbindung gebracht werden kann.[11]

Neben vielen Funden von Steinskulpturen und Inschriftensteinen durch Privatpersonen im 19. Jahrhundert war die Entdeckung und sukzessive Ausgrabung des spätantiken Kastells zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Meilenstein in der Erforschung der Zivilsiedlung. Zum Bau des Kastells wurden nämlich die Überreste des Vicus verwendet, wodurch eine Vielzahl an Steindenkmälern als Spolien in diesem Kastell entdeckt wurden. So wurde beispielsweise 1929 in einem Gebäudefundament der Militäranlage mit 82 reliefierten Steinen und Skulpturen der bislang größte Spolienfund gemacht, der die Prosperität des vicus im späten 1. bis in das 3. Jahrhundert belegt.[12] Viele dieser Funde aus Privatbesitz und aus dem Kastell befinden sich heute im Museum der Stadt Alzey und der neu gebauten Steinhalle.

Durch den vicus Altiaiensium verliefen zwei Fernstraßen, nämlich die Straße von Mainz nach Metz und die Straße von Bingen über Bad-Kreuznach nach Worms. Die Siedlung befand sich also in einer guten Verkehrslage, was sich auch wirtschaftlich positiv auswirkte. Funde von Straßenresten, wie Kalksteinschotterungen und vereinzelten, steinernen Abwasserrinnen, lassen auf ein annähernd regelmäßiges Straßennetz im Bereich der Siedlung schließen.[13]

Im vicus war wohl der Haustyp des sogenannten Streifenhauses vorherrschend. Diese Häuser waren lang und schmal und für vici in den nördlichen Provinzen des römischen Reiches charakteristisch. 1938 wurde ein solches Haus in der Dr.-Georg-Durst-Straße ergraben, das in die 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts datiert wurde.[14]

Die Rekonstruktion eines Streifenhauses
Die Rekonstruktion eines Streifenhauses

Die Bewohner:innen der Siedlung waren wahrscheinlich dieselben wie in vorrömischer Zeit. Für die Anwesenheit von römischem Militär fehlen beispielsweise die typischen Funde des römischen Militärgeschirrs. Außerdem gab es bis in die 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts nach heutigem Forschungsstand auch kein Kastell in Alzey.[15]

Etwa 170 n. Chr. dürfte ein Kultbezirk für die keltisch-germanischen Gottheiten wie Apollo-Grannus und Sirona – von denen viele Weihungen gefunden wurden – erbaut worden sein. Durch Architekturfunde kann dieser Bezirk in der heutigen Dr.-Georg-Durst-Straße vermutet werden.[16] Durch auffällig viele Funde von Weihungen an Heilgottheiten kann man für das römische Alzey eine Art frühen Kurbetrieb annehmen.[17]

 

Der Fund von zwei Münzschätzen aus der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts, sowie Brandschichten aus jener Zeit, könnten Hinweise auf eine teilweise Zerstörung der Siedlung durch Germaneneinfälle im 3. Jahrhundert sein. Anhand der Funde ist aber ab dem Ende des 3. Jahrhunderts ein erneuter Aufschwung des vicus nachweisbar. So wurden beispielsweise großzügig angelegte Gebäude gefunden, welche größer als die vorherige Bebauung waren. Eines davon, welches im Gebiet des späteren Kastells gefunden wurde, lässt sich dank einer Münze des Galerius im Fundament in die Jahre 296/97 datieren.[18]

Um die Mitte des 4. Jahrhunderts bedeutete wahrscheinlich ein alemannischer Angriff während des Bürgerkrieges zwischen Magentius und Constantinus II. das Ende des vicus. Das Fundmaterial endet in der Mitte des 4. Jahrhunderts und durch den Fund noch verschlossener Vorratstöpfe in Gebäuderesten und Skelettfunden außerhalb der Gräberfelder im Siedlungsgebiet wird vermutet, dass der Angriff auf den vicus überraschend kam und die Siedlung vorher nicht geräumt wurde.[19]

Danach lag das Gebiet um Alzey für etwa 15-18 Jahre wüst, ehe zwischen 367 und 370 ein Kastell gebaut wurde.[20] Um Platz für diese Baumaßnahmen zu schaffen, füllte man das Baugelände mit einer Schicht aus Schutt und Lehm auf. Dies ist ein sicherer Beleg dafür, dass zu dieser Zeit keine zivile Siedlung mehr vorhanden war.[21] Es ist wahrscheinlich, dass es um dieses Kastell herum erneut eine zivile Siedlung gegeben hat, auch wenn die archäologischen Nachweise dazu sehr gering sind.[22]

Die Reste des Vicus wurden im 19. Jahrhunderts an einigen Orten gefunden. Die Gärtnerfamilie Braun hatte in ihrem Garten eine regelrechte Sammlung von Steindenkmälern aufgebaut. Durch Schenkung an den Altertumsverein 1906 bildete die Sammlung den Grundstock für die Gründung eines Museums in Alzey.
Die Reste des Vicus wurden im 19. Jahrhunderts an einigen Orten gefunden. Die Gärtnerfamilie Braun hatte in ihrem Garten eine regelrechte Sammlung von Steindenkmälern aufgebaut. Durch Schenkung an den Altertumsverein 1906 bildete die Sammlung den Grundstock für die Gründung eines Museums in Alzey.

Verfasser: Lutz Luckhaupt

[1] Oldenstein, Jürgen: Kastell Alzey. Archäologische Untersuchungen im spätrömischen Lager und Studien zur Grenzverteidigung im Mainzer Dukat. Mainz 2009, S. 12.

[2] Hunold, Angelika: Die römische Siedlung von Alzey. Von der Zeitenwende bis 352 n. Chr. Alzeyer Geschichtsblätter 31 (1998), S. 21-37, hier S. 26.

[3] Ebenda, S. 23.

[4] Ebenda, S. 26.

[5] Ebenda.

[6] Klumbach, Hans: Die Götter von Altiaium. In: Becker, Friedrich Karl (Hrsg.): 1750 Jahre Alzey. Festschrift. Alzey 1973, S. 11.

[7] Oldenstein, Jürgen: Alzey. Siedlung und spätantikes Kastell. In: Cüppers, Heinz (Hrsg.): Die Römer in Rheinland-Pfalz. Stuttgart 1990, S. 302-303, hier S. 302.

[8] Klumbach, S. 11.

[9] CIL XIII, 6265.

[10] Klumbach, S. 11.

[11] Ebenda, S. 13-15.

[12] Hunold, S. 21-22.

[13] Hunold, S. 26.

[14] Ebenda, S. 25.

[15] Ebenda, S. 27-28.

[16] Ebenda, S. 31.

[17] Ebenda, S. 21-22.

[18] Ebenda, S. 32-33.

[19] Ebenda, S. 35-36.

[20] Oldenstein 2009, S. 14-15.

[21] Hunold, S. 37.

[22] Haupt, Peter/Jung, Patrick: Rheinhessische vici. In: Haupt, Peter/Jung, Patrick (Hrsg.): Alzey und Umgebung in römischer Zeit. Alzey 2006, S. 45-57 (= Alzey. Geschichte der Stadt, Bd. 3), S. 47.

Römerkastell

49.74322, 8.11732
Ca. zweite Hälfte 4. Jahrhundert n. Chr. bis Mitte 5. Jahrhundert n. Chr.

In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts wurde in Alzey ein römisches Kastell errichtet. Dazu nutzte man Baumaterial aus dem ehemaligen Vicus, das einige Jahre zuvor aufgegeben worden war. Um die Mitte des 5. Jahrhundert wurde das Kastell durch Brand zerstört.

Bei Ausgrabungen am Kastell stellte man fest, dass es mit Baumaterial des Vicus erbaut wurde.
Bei Ausgrabungen am Kastell stellte man fest, dass es mit Baumaterial des Vicus erbaut wurde.

Ein erstes Kastell wurde zwischen 367 und 370 zum Schutz eines Selzübergangs und einer Straßenkreuzung erbaut. Das Kastell hatte Außenmaße von 163 x 159 Meter. Die Mauern waren bis zu 3,50 Meter dick und 12 Meter hoch. 14 halbrunde Türme wurden an besonderen Stellen der Mauer als Verstärkung in den Mauerring eingebaut. Zwei Tore, eins im Osten, das andere im Westen, gestatteten den Zugang. Das Kastell hielt sich nur wenige Jahrzehnte. Um 400 wurden die Legionäre vom Rhein abgezogen, als Kaiser Honorius die Residenz von Trier nach Arles verlegte. Daraufhin wurde das Kastell 406/407 durch germanische Verbände zerstört.

Kurz darauf waren im Kastell ostgermanische Verbände wohnhaft, die Fachwerkhäuser in den bis dahin unbebauten Innenhof bauten.
Kurz darauf waren im Kastell ostgermanische Verbände wohnhaft, die Fachwerkhäuser in den bis dahin unbebauten Innenhof bauten.

Kurz darauf waren im Kastell ostgermanische Verbände wohnhaft, die Fachwerkhäuser in den bis dahin unbebauten Innenhof bauten. Im Gebiet Römerstraße, Dr. Georg Durst Straße und Jean Braun Straße sind bis heute Reste der Kastellmauern zu sehen.

Literatur

  • Haupt, Peter/Jung, Patrick: Rheinhessische vici. In: Haupt, Peter/Jung, Patrick (Hrsg.): Alzey und Umgebung in römischer Zeit. Alzey 2006, S. 45-57 (= Alzey. Geschichte der Stadt, Bd. 3).
  • Hunold, Angelika: Die römische Siedlung von Alzey. Von der Zeitenwende bis 352 n. Chr. Alzeyer Geschichtsblätter 31 (1998), S. 21-37.
  • Klumbach, Hans: Die Götter von Altiaium. In: Becker, Friedrich Karl (Hrsg.): 1750 Jahre Alzey. Festschrift. Alzey 1973, S. 11-32.
  • Oldenstein, Jürgen: Alzey. Siedlung und spätantikes Kastell. In: Cüppers, Heinz (Hrsg.): Die Römer in Rheinland-Pfalz. Stuttgart 1990, S. 302-303.
  • Oldenstein, Jürgen: Kastell Alzey. Archäologische Untersuchungen im spätrömischen Lager und Studien zur Grenzverteidigung im Mainzer Dukat. Mainz 2009.

Kastell

Römisches Militärlager. Kastelle bildeten zum einen den Ausgangspunkt für militärische Aktionen, zum anderen waren sie durch die ständige Besetzung mit Garnisonen das wirtschaftliche Zentrum des jeweiligen Umlandes.

Streifenhaus

Typischer Bau aller ländlichen Siedlungen in den römischen Nordwestprovinzen. Das langrechteckige Gebäude hatte die Giebelseite Richtung Straße ausgerichtet. Während der vordere Bereich zur Straße hin für Werkstätten oder für Einkaufsläden der Bewohner:innen vorgesehen war, schloss sich dahinter der Wohnbereich an. Die Häuser wurden reihenhausartig angeordnet und waren in der Regel aus Fachwerk gebaut.

Vicus

Dorfähnliche Siedlungsform der römischen Zeit. Ein Vicus war eine Art Kleinstadt. Zwar besaß ein Vicus keine Stadtrechte, aber es handelte sich trotzdem um ein regionales Zentrum, in dem regelmäßig Märkte stattfanden. Hier spielte sich auch das gesellschaftliche und religiöse Leben ab.